Positionspapier: "Der blinde Fleck der Verwaltungsdigitalisierung: Online Ausweisen (eID), eine entscheidende Mandatierung fehlt noch"

buergerservice.org plädiert für die Einrichtung einer Institution für ein Transformationsmanagement zur Verbreitung von Akzeptanz und Nutzung der eID und der zugehörigen Dienste.

25.08.2025

Bild: buergerservice.org

Selbst im Abschlussbericht der Initiative für einen handlungsfähigen Staat wurde nicht auf die Notwendigkeit eingegangen, dass die Bürgerinnen und Bürger zur Verwaltungsdigitalisierung abgeholt und mitgenommen werden müssen. Und auch im aktuellen Entwurf des Organigramms des Bundesministeriums für Digitales und Staatmodernisierung (BMDS) findet sich nur eine klassische Abteilung für Kommunikation und Strategie. Damit wird die Einschätzung von buergerservice.org wiederholt bestätigt: es gibt den blinden Fleck der Verwaltungsdigitalisierung.

Das Thema Verwaltungsdigitalisierung ist erfahrungsgemäß sehr komplex. Für die vielfältigen Herausforderungen wurden und werden Lösungen entwickelt und Tätigkeiten für die Herstellung und den Betrieb dieser Lösungen wurden und werden mit zugehörigen Prozessen und Organisationen institutionalisiert. Die Aufgabe des Transformationsmanagements, ganz konkret das Abholen und Mitnehmen der Bürgerinnen und Bürger zur Verwaltungsdigitalisierung, wird allerdings noch nicht in ihrer Bedeutung und Notwendigkeit gesehen.

buergerservice.org stellt für eine minimalistische Kurzfassung der Aufgabenstellung zum Transformationsmanagement einen bildhaften Vergleich an: Seit Beginn der Internetausbreitung in den 90er Jahren erleben die Menschen das Internet als anonymes “Spaß-Internet”.

Bild: buergerservice.org

Im bildhaften Vergleich hierzu kann man das Fahren in einem Autoscooter auf einem unendlichen Parkour darstellen. Verwaltungsdigitalisierung erfordert allerdings ein Vertrauens-Internet mit eindeutigen digitalen Identitäten und sicherer Kommunikation. Der bildhafte Vergleich hierzu ist mit dem bekannten Straßenverkehr und seinen Regeln und Sanktionen darstellbar. Während bereits Kinder ohne Aufsicht von Erwachsenen Autoscooter fahren können, bedarf es beim Straßenverkehr eines Führerscheins und vieler weiterer Voraussetzungen (TÜV, Sehtest, Versicherung, etc.). Bevor die Verwaltungsdigitalisierung in der Breite gelingen kann, müssen die Bürgerinnen und Bürger die Instrumente des “Vertrauens-Internet” (eID, BundID, Datencockpit, EUDI-Wallet (European Digital Identity Wallet) , elektronische Signatur usw.) kennen und können. Eine nutzerzentrierte Produktentwicklung allein ist bei weitem nicht ausreichend, da sie sich nur auf Nutzer mit deren Erfahrungsschatz aus dem “Spaß-Internet” beziehen kann (“... E-Government muss so einfach wie das Einkaufen bei Amazon sein.” So eine häufige Antwort der Bürgerinnen und Bürger auf die Frage, wie sie sich digitale Behördengänge vorstellen). Aber bereits in der analogen Welt ist ein Behördengang mit Ausweisdokument nicht gleichzusetzen mit einem anonymen Einkauf bei Aldi, Lidl usw. So erfordert der digitale Behördengang ebenfalls mehr Aufwand und Kenntnisse als das Online-Shopping. Zur entsprechenden Aufklärung und Wissensvermittlung bedarf es eines aktiven Transformationsmanagements.

Bundesdigitalminister Karsten Wildberger: Ausweis fürs Smartphone kommt in anderthalb Jahren.

Karsten Wildberger ist Bundesminister für Digitales und Staatsmodernisierung (Foto: Imago Images/Funke Foto Services/Bauer)

Ein Lob an den Minister, dass er das Schlüsselelement für einen digitalen Staat, das “Online Ausweisen”, gleich zu Beginn seiner Amtszeit in der Variante ”Ausweis fürs Smartphone” (Stichwort EUDI-Wallet) prominent auf die Bühne gebracht hat. Die anderthalb Jahre sollten jetzt sehr konstruktiv genutzt werden, damit die Online-Ausweisfunktion (eID) des Personalausweises bei den Bürgerinnen und Bürgern bekannt gemacht und von ihnen erlernt wird. Denn nur wenn die Bürgerinnen und Bürger die eID inkl. der zugehörigen PIN kennen und können, kann der Personalausweis als ”Ausweis fürs Smartphone” in die EUDI-Wallet übertragen werden. Der gemeinnützige Verein buergerservice.org e.V. macht mit diesem Positionspapier einen konkreten Vorschlag, wie durch ein Institutionalisieren von Transformationsmanagement diese Aufgabenstellung umgesetzt werden kann.

Problem: geringe Nutzung der eID trotz einfacher Usability.

 Bildbeschreibung: “Frau weist sich mit der Online-Ausweisfunktion ihres Personalausweises beim Nutzerkonto Bund aus.”, Quelle: Bundesministerium des Innern; Bundesdruckerei GmbH

Obwohl die eID bereits seit über 14 Jahren existiert und seit vier Jahren flächendeckend verfügbar ist, wird sie kaum genutzt. Jeder Bürger und jede Bürgerin ab 16 Jahren trägt sie technisch gesehen bereits im Portemonnaie - eingebettet im Personalausweis und einfach nutzbar mit jedem modernen Smartphone. Dennoch fehlt in der breiten Bevölkerung das Wissen über diese Funktion. Ohne dieses Wissen besteht kein Bedarf, kein Nutzenbewusstsein - und somit keine Nachfrage. Alle weiteren Schritte hin zum digitalen Staat werden dadurch stark gehemmt oder blockiert.

Beispiele: Nach 14 Monaten haben lediglich ca. 330.000 von rund 70 Mio. Erwachsenen ihre Entscheidung zur Organspende im dafür vorgesehenen Register eingetragen. Die digitalen Kfz-Zulassungen erfolgen bislang nur im Promillebereich. Das elektronische Wohnsitzanmelden hat üblicherweise Nutzungszahlen im einstelligen Prozentbereich.

Ein treffender Vergleich: erstmaliger Umgang mit der Girocard.

So wie man einst mit Hilfe des Verkaufspersonals lernen musste, wo man zum bargeldlosen Bezahlen die eigene Girocard an das Lesegerät hält und die PIN eingibt, braucht es auch beim Online-Ausweisen klare Hilfestellung und öffentliche Aufklärung für den Einstieg beim Online Ausweisen.

Ursache: fehlende institutionelle Verantwortung.

Mehrere Anläufe für bundesweite eID-Kommunikationskampagnen wurden seit Einführung der eID im Jahr 2010 geplant - doch immer wurden die bereits reservierten Budgets gestrichen, so dass selbst durchgeplante Maßnahmen nie in eine Umsetzung kommen konnten. Dies zeigt die eigentliche Ursache auf:

Es gibt keine zuständige Institution, die dauerhaft für Kommunikation und Transformationsmanagement im Bereich eID (inkl. der eID-Dienste) verantwortlich ist und hierzu Budgets einfordert und verteidigt.

Vorschlag: Transformationsmanagement institutionalisieren.

buergerservice.org plädiert für die Einrichtung einer Institution für ein Transformationsmanagement zur Verbreitung von Akzeptanz und Nutzung der eID und der zugehörigen Dienste. Der ideale Ort hierfür ist das neue Digitalministerium (BMDS). Diese Institution sollte Verantwortung für die flächendeckende Akzeptanz und Nutzung der eID inkl. der EUDI-Wallet übernehmen.

Der im August 2025 erkennbare Entwurf des Organigramms des BMDS sieht eine klassische Abteilung Kommunikation und Strategie vor. Ein zusätzliches Referat für Transformationsmanagement kann nach den Erfahrungen von buergerservice.org in dieser Abteilung wertvolle Arbeit leisten.

Foto: buergerservice.org

Erfahrungen von buergerservice.org im Themenfeld eID-Transformationsmanagement

Die satzungsgemäße Arbeit von buergerservice.org (Förderung von Medienkompetenz für mehr Akzeptanz und Nutzung der Online-Ausweisfunktion) hat hierzu erste erfolgreiche Vorgehensmodelle hervorgebracht: eID-Roadshow, eID-Ersthelfer, Flotte PIN, BundID2Go, eID-Unterricht in Schulen, eID-Pakte, Vorbereitung auf die EUDI-Wallet im Bürgeramt, eID-Hackathon, eID-Aufklärung in der Fußgängerzone und an anderen öffentlichen und nicht öffentlichen Orten (z.B. Bibliotheken, Einkaufszentren, Jobcenter, Volkshochschulen, Bürgerbüros, Betreuungszentren usw.), Kinder- und Jugendschutz in sozialen Medien (mit der eID digital Erwachsenwerden), Digital only mit Einbindung der analogen Nutzerinnen und Nutzer usw. Konkrete Beispiele finden sich auf der Homepage von buergerservice.org (s. : Aktuell und Archiv ).

Fazit

Das organische Wachstum des gemeinnützigen Vereins buergerservice.org e.V. ermöglicht bereits heute die punktuelle Umsetzung vieler Aspekte aus dem Transformationsmanagement.

Wird ein Bereich im BMDS für das Transformationsmanagement mandatiert und mit den notwendigen Ressourcen ausgestattet, kann ein “eID-/EUDI-Turbo” gezündet und ein zukunftsfähiger digitaler Staat in kürzester Zeit über die vorhandenen eID-Dienste aktiviert und über die zukünftigen EUDI-Dienste ausgebaut werden.

Positionspapier: "Der blinde Fleck der Verwaltungsdigitalisierung: Online Ausweisen (eID), eine entscheidende Mandatierung fehlt noch":

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